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Martin Kissling

Wir haben uns mit dem Schlagzeuger Martin Kissling unterhalten. Der aus der Schweiz stammende Schlagzeuger hat uns erzählt wie er die Corona Anfänge erlebt hat, welche aktuellen Projekte ihn zur Zeit beschäftigen und er hat auch eine interessanten 12/8 Afro-Cuban «Bembe» Polyrhythmik-Studie bereitgestellt.

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2020 hat sich die Welt verändert. Jeder wurde mit einer völlig neuen Situation konfrontiert. Besonders die Kulturbranche/Musiker waren stark betroffen und sind es mit Sicherheit immer noch. Wie hast du die Zeit erlebt, mit den Corona Anfängen und durch die Pandemie hindurch?

Martin Kissling: Für mich gab – und gibt – es zwei Seiten der Medaille. Einerseits habe ich durch die freien Wochenenden ohne Gigs viel Familienzeit erhalten. Unsere jüngere Tochter war zu Beginn des ersten Lockdowns grad erst mal halbjährig und somit in Kombination mit der älteren, 3 1/4jährigen Tochter doch recht zeit- und schlafraubend. Ich hätte teilweise recht zu kämpfen gehabt, wenn ich hätte performen «müssen» vor lauter Übermüdung. Durch die Pandemie hat sich das Ganze entschärft und ich habe sehr viel Zeit mit den Mädchen verbracht, konnte haushalten, spazieren, mal meine Frau – sie arbeitet 50% – entlasten und sie mich, etc.

Doch natürlich – und das ist die zweite Seite der Medaille – habe ich das «Auf-Der-Bühne-Sein» sehr vermisst; das Zusammenspielen, Zusammensein und die Energie, der Groove, der entsteht, wenn man gemeinsam performt. Normalerweise spiele ich zwischen 40-50 Shows pro Jahr. Im 2020 waren es knapp zehn und im 2021 bis jetzt sogar insgesamt noch weniger als zehn.

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Wo stehst du heute und welche Projekte beschäftigen dich, was gibt es neues, was planst du?

Martin Kissling: Meine Leidenschaft ist immer noch das Trommeln und das wird es auch bis an mein Lebensende bleiben. Ich versuche so oft, wie möglich zu spielen und zu üben. Ich bin einer von denen, die gerne üben und einer, der gerne Konzepte austüftelt und erarbeitet. Seit über 10 Jahren habe ich die Ehre bei Gitarren-Legende Boris Pilleri zu spielen. Diese Truppe ist an jedem Gig, egal ob gross oder klein, sehr inspirierend und immer spannend.

Mein Jazztrio Kaffeehausorchester exisitert auch schon seit über 15 Jahren. Einzig die Coverband The Crush ist eher «neu», vor 4 Jahren haben wir diese Partyband gegründet und hoffen jetzt dann wieder auf Gigs. Das ist einer der Punkte, der mich momentan beschäftigt oder auch belastet. Wie geht es weiter mit der Konzertkultur? Werden jetzt dann wieder mehr Shows gebucht, gehen die Leute bzw. die jeweiligen Zielgruppen der Bands wieder in Clubs, um Konzerte zu hören? Komme ich persönlich wieder auf die 40-50 Gigs im Jahr?

Die Musik ist ein hoffnungsvolles Medium, das Emotionen, Freude, Menschlichkeit, Liebe und Trauer verbreiten kann und Menschen tief im Herzen erreichen und bestenfalls verbinden kann. Das ist es, was ich zu tun versuche.

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Wir haben viel negatives durch die Pandemie erlebt. Was hast du aber für dich persönlich positiv erlebt?

Martin Kissling: Am Anfang des ersten Lockdowns habe ich nicht den Kopf in den Sand gesteckt, sondern grad eine neue Idee gestartet, die jetzt doch recht umfangreich geworden ist und momentan einen grossen Teil meiner Zeit beansprucht.

Das «Step By Step-Project». Im Abstand von drei Wochen werden zurzeit einzelne Singles veröffentlicht, die im November dann auf der CD EP «5 Senses» erscheinen. Die Fünf Sinne sind auch Thema und verbindendes Element der Songs, worauf im Text, bei der Covergestaltung und auch im jeweiligen «Official Video» eingegangen wird. Es sind Stücke, die Schritt für Schritt entstehen: Zuerst spiele ich den Drumtrack ein (ohne, dass bereits Musik vorhanden ist) und gebe ihn an einen Gitarristen weiter. Dieser schreibt und spielt dann die Chords und Licks mit nur dem Drumtrack als «Guide»!

Weiter geht der Song an einen Bassisten, dann kommen Keyboards und schlussendlich Sängerinnen, welche die Melodie und den Text komponieren. Alle sind vollkommen frei von Vorgaben, es muss einfach zum Vorangehenden passen und alle haben ihre Performance in ihren eigenen Home-Studios aufgenommen. Für mich war es unglaublich spannend, da ich ja nicht im Voraus wusste, wie der Song klingen wird. Jedes Mal wenn jemand einen Beitrag geschickt hat, war ich extrem überrascht in welche Richtung sich der Track entwickelte.

– Step By Step-Project –

In meinem «Splendorstudio» bringe ich alles zusammen, mache die Steps-Videos und auch die Official Videos und koordiniere das Ganze. Ich finde, die Songs sind stimmig und rund herausgekommen, trotz dieser neuartigen Kompositionsart. 20 grossartige und in der ganzen Schweiz verteilte Musikerinnen haben das Abenteuer mitgemacht und ihren Part beigetragen. Für mich persönlich ist das ein sehr positiver Effekt der Pandemie; ohne sie hätte ich dieses Projekt mit all diesen phänomenalen Musiker*innen sicher nicht organisieren und durchführen können. Dafür bin ich sehr dankbar. Es war – und ist – sehr lehrreich und macht grossen Spass!

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Welche abschliessende Worte möchtest du mitgeben?

Martin Kissling: Eigentlich bin ich einer, der an das Gute im Menschen glaubt. Leider gibt es aber sehr viele, welche die Augen vor Wahrheiten und wissenschaftlichen Facts verschliessen. Wie all die Klimawandel Leugner. Das ist für mich nicht verständlich, einfach mit Scheuklappen durch die Welt zu stolzieren, Wissenschaft zu leugnen und sich selber die Welt so zurechtzulegen und Unwahrheiten zu behaupten, so dass man mit gutem Gewissen die Natur, die Tiere, die Umwelt und sehr viele andere Menschen heute und in Zukunft schädigen, töten, zerstören und krank machen kann.

Ich möchte meinen Töchtern (und auch deren Kindern) eine Welt, wie wir sie kennen – oder eben eine bessere! – hinterlassen. Und das geht leider definitiv nicht, so wie heute im Überfluss und egoistisch gelebt wird. Es ist ganz klar, dass wir so ein Leben zukünftiger Generationen verunmöglichen. In meinem Studio habe ich eine Uhr aufgehängt, nicht eine, die läuft, sondern eine immer auf 5 NACH 12 gestellt ist. Klar, die Musik ist ein hoffnungsvolles Medium, das Emotionen, Freude, Menschlichkeit, Liebe und Trauer verbreiten kann und Menschen tief im Herzen erreichen und bestenfalls verbinden kann. Das ist es, was ich zu tun versuche.

Martin Kissling spielt und nutzt Yamaha Drums – Meinl Cymbals – Meinl Stick & Brush – Cympad sowie Earline In-Ears

12/8 Afro-Cuban «Bembe» Polyrhythmik-Studie

2019 habe ich eine grössere und anspruchsvollere Serie mit Afro Cuban-Grooves für mich selber und fortgeschrittene SchülerInnen gemacht. Da geht es um Independence und Polyrhythmik.

– 12/8 Afro-Cuban Serie –
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